„Ich wollte niemals Chefin werden – oder doch?“

Ich wollte schon immer Lehrerin werden. Das wurde ich dann auch und war glücklich mit dem Job. Aber irgendetwas fehlte mir. Also begann ich, zunächst ganz nebenbei, mir eine eigene Firma aufzubauen, während ich mit meinem ersten Kind zu Hause war. Und als es so weit war, dass ich an die Schule zurückgemusst hätte, war meine kleine Firma schon so groß, dass dies mein Hauptgeschäft wurde. Heute habe ich acht Mitarbeiter und Kunden aus aller Welt, für die wir übersetzen und schöne Werbung entwerfen. Plötzlich war ich Chefin – was ich eigentlich niemals werden wollte. Zeitweilig war ich sogar richtig traurig darüber. Hielt mich doch das Chefsein davon ab, was ich eigentlich am liebsten tue – nämlich schöne Texte schreiben und tolle Übersetzungen kreieren. Anstatt zu überlegen, welches Wort hier am besten passt und wie man diese Idee am stilvollsten zum Ausdruck bringen kann, muss ich dafür sorgen, dass sich meine Mitarbeiter alle gut vertragen, dass sie sich wohlfühlen und gern ihre Arbeit machen. Und ich muss meine Kunden bei Laune halten, mit ihnen sprechen, gemeinsam Ideen entwickeln, sie an unseren Erfahrungen teilhaben lassen, große Projekte verwirklichen. Und irgendwann, als ich wieder einmal mit meinem Schicksal haderte und bedauerte, dass ich nur noch sehr selten dazu komme, meiner Lieblingsbeschäftigung übersetzen nachzugehen, kam mir der Gedanke, dass all diese Chef-Tätigkeiten doch eigentlich genau das verkörpern, warum ich eigentlich mal Lehrerin werden wollte: Mit Menschen umgehen. Andere begeistern. Mein Wissen und meine Erfahrungen teilen. Ein bisschen der Anführer sein. Dafür sorgen, dass es allen gut geht. Soziale Skills eben. Das, was mir schon meine Berufsberatung 1991 als Stärke bescheinigt hatte. Es hatte nur ein paar Umwege gebraucht, um das zu erkennen. Aber instinktiv hatte ich mir wohl doch den Job geschaffen, der mir auf den Leib geschneidert ist.

Und was sagt uns das fürs Recruiting? Dass es am Ende immer auf die Skills ankommt. Auf das, was man am besten kann und gerne macht. Die Ausprägungen können vielfältig sein. Man kann Lehrer werden oder auch Chef – im Kern sind diese beiden Jobs gar nicht so verschieden. Vielleicht sagt uns diese Story auch, dass Unternehmen, die eine Führungskraft suchen, nicht immer nur nach BWLern Ausschau halten müssen. Manchmal könnte auch ein Lehrer ganz gut passen… Versucht’s doch einfach mal!

Die Reihe der Recruiting-Storys entstand im Rahmen eines Vortrags zum Thema „Dem „Arbeitskräftemangel mit Kreativität begegnen“, bei dem ich mir Gedanken dazu machte, wie man kreativ mit Bewerbungen umgeht – sowohl als Unternehmer als auch als Arbeitnehmer. Denn der Traumjob ist nicht immer der, den man irgendwann mal gelernt hat. In diesem Sinne sind diese Storys Mutmacher, über den Tellerrand hinauszuschauen und sich ruhig auf die Stelle als Wedding Planner zu bewerben – auch wenn man eigentlich Schuhverkäuferin ist.